Stillen Reserven nach dem Umwandlungssteuergesetz

A - Rechtslage bis 12.12.2006

Nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG a. F. muss ein Steuerpflichtiger, der einbringungsgeborene Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft hält, die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven versteuern, wenn das Besteuerungsrecht des deutschen Fiskus hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile ausgeschlossen wird. Diese Regelung gilt für alt-einbringungsgeborene Anteile auch nach dem 12.12.2006 weiter. [1]

Einbringungsgeborene Anteile sind Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer oder bei unentgeltlichem Erwerb der Anteile der Rechtsvorgänger durch eine Sacheinlage unter dem Teilwert erworben hat (§ 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG a. F.). Sacheinlagen können sein:

  • Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil (§ 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG a. F.)
  • Anteile an Kapitalgesellschaften (§ 20 Abs. 1 Satz 2 UmwStG a. F.)

Nach Umsetzung der EG-Richtlinie 90/434/EWG können einbringungsgeborene Anteile auch entstehen, wenn Anteile an einer EU-Gesellschaft in eine andere EU-Gesellschaft in einem anderen EU-Staat eingebracht werden (§ 23 UmwStG a. F.).

Im Falle eines Wegzugs wird das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in ein DBA-Land verlegt und das jeweilige DBA das Recht zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen dem Zuzugsstaat zuweist. Ebenso kommt es im Fall einer Doppelansässigkeit zu einer Anwendung von § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG a. F., wenn der Steuerpflichtige nach dem Wegzug aufgrund des DBA im Zuzugsstaat als ansässig gilt und das DBA das Recht zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen dem Zuzugsstaat zuweist.

Hingegen ist § 21 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG a. F. nicht anwendbar, wenn der Steuerpflichtige in ein Nicht-DBA-Land oder in ein DBA-Land verzieht, aber Deutschland das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne behält.

B - Rechtslage ab 13.12.2006

Mit der Neufassung des Umwandlungssteuergesetzes durch das SEStEG hat sich die Rechtslage hinsichtlich der Besteuerung einbringungsgeborener Anteile geändert. [1] Die geänderte Rechtslage ist auf alle Einbringungsvorgänge nach dem 12.12.2006 anzuwenden.

Im Falle eines Wegzugs ist nunmehr danach zu differenzieren, ob vor dem Wegzug

  • Anteile an einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft (Anteilstausch nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG) oder
  • ein Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft (Sacheinlage nach § 20 Abs. 1 UmwStG)

eingebracht wurden.

Hat ein Steuerpflichtiger vor der Verlegung seines Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland einen Anteilstausch nach § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG vorgenommen, erfolgt im Falle des Wegzugs die Besteuerung nach § 6 AStG. [2] Eine Konkurrenz zu umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften besteht nicht mehr, weil die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG im Falle des Anteilstausches nicht vorliegen. Nach dieser Vorschrift findet eine rückwirkende Besteuerung des sog. Einbringungsgewinns I nicht nur im Fall der Veräußerung innerhalb der siebenjährigen Sperrzeit statt, sondern auch, wenn innerhalb der Sperrfrist „für den Einbringenden oder die übernehmende Gesellschaft … die Voraussetzungen im Sinne von § 1 Abs. 4 nicht mehr erfüllt sind“. § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) UmwStG ist eine Anwendungsvorschrift für die Fälle des § 1 Abs. 3 Nr. 1 – Nr. 4 UmwStG. Danach sind (Nr. 1) die Verschmelzung, Aufspaltung und Abspaltung, (Nr. 2) die Ausgliederung von Vermögensteilen, (Nr. 3) Formwechsel, (Nr. 4) Einbringung von Betriebsvermögen nur zu Buchwerten durchführbar, wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist. Den Anteilstausch (Abs. 3 Nr. 5) erfasst § 1 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) UmwStG ausdrücklich nicht. [3]

Lösungsvorschlag zu Beispiel 14a
Die Einbringung konnte zunächst steuerneutral erfolgen, weil die Neu-GmbH eine Mehrheit an der A-GmbH erworben hat („qualifizierter Anteilstausch“, § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Der Wert, mit dem die Neu-GmbH die Anteile der A-GmbH angesetzt hat, gilt für den A als Anschaffungskosten der neuen Anteile, § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 UmwStG.

Durch den Wegzug des A in 2010 verliert Deutschland das Besteuerungsrecht für die Veräußerung der Anteile an der Neu-GmbH. Dies löst die Besteuerung nach § 6 AStG aus; die nach altem UmwStG bestehende Konkurrenz zu einer umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickung besteht nicht mehr.

Der fiktive Veräußerungsgewinn beläuft sich auf 130 (gemeiner Wert im Wegzugszeitpunkt) ./. 50 (Anschaffungskosten) = 80. Auf den gemeinen Wert bei Einbringung kommt es nicht an.

Bei einer Sacheinlage i. S. d. § 20 Abs. 1 UmwStG löst der Wegzug hingegen sowohl eine Besteuerung nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG als auch eine Besteuerung nach § 6 AStG aus.

Lösungsvorschlag zu Beispiel 14b
Bei der vorliegenden Betriebseinbringung gem. § 20 Abs. 1 UmwStG führt der Wegzug zu einer Besteuerung nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG (Wegfall des deutschen Besteuerungsrechts). Es erfolgt eine rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns I nach § 22 Abs. 1 UmwStG, § 16 EStG (4/7 von 120 ./. 50 = 40). (Anm.: Kein Halb­ein­künf­te­ver­fah­ren, weil keine Kapitalgesellschaftsanteile eingebracht worden sind.)

Die Wohnsitzverlegung wird zudem nach § 6 AStG besteuert, wobei als Veräußerungspreis der gemeine Wert bei Wegzug (130) gilt. Der Einbringungsgewinn I gilt als nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Anteile für den A (§ 22 Abs. 1 Satz 4 UmwStG), so dass dieser insgesamt mit Anschaffungskosten von 50 + 40 = 90 rechnet, so dass 130 ./. 90 = 40 nach § 6 AStG, § 17 EStG besteuert werden. Diese sind nach § 3 Nr. 40 EStG zu 40 % befreit (= 16).

Ergebnis: 40 zu versteuern in 2007 (§ 21 Abs. 1 UmwStG, § 16 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO), 24 zu versteuern in 2010 (§ 6 AStG, §§ 17, 3 Nr. 40 c) EStG).

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