DEUTSCHLAND IM WETTBEWERB

Innovation lebt vom Mitmachen!

Eine Analyse der Zukunftsfähigkeit Deutschlands von Deepa Gautam-Nigge, VP Corporate Development, SAP SE

Was ist dran an dem oft bemühten Dreiklang aus „USA innoviert, China skaliert und Deutschland reguliert“? Regelmäßig werden Studien zitiert, in denen Deutschland als einer der Verlierer des Innovationswettlaufs und der Plattformökonomie bezeichnet wird. Ja, aber ist es denn auch wirklich unsere realistische Ambition, im Konzert der B2C-Plattformen mitzuspielen oder in das Quartett der Hyperscaler einzustimmen? Warum besinnen wir uns nicht auf unsere Stärken? Wir haben nicht nur Dichter und Denker, sondern auch innovative Forscher und kreative Ingenieure von Weltruf. Beste Voraussetzung also für eine vierte Industrielle Revolution „with purpose“ durch Digitalisierung, basierend auf den innovativen Stärken unseres „Mighty Mittelstand“. 

Innovationstreiber sind in der Regel immer Transformations- und Wettbewerbsdruck sowie Regulatorik – von all dem ist ausreichend vorhanden. Und um dem beherzt zu begegnen, haben wir in Deutschland alle relevanten Stellhebel selbst in der Hand. Dass wir es grundsätzlich können, wurde jüngst bewiesen, als es wirklich mal darauf ankam: mit der Entwicklung und Skalierung eines weltweit verwendeten mRNA-Impfstoffs. 

Damit dieses Beispiel nicht strahlende Ausnahme bleibt, müssen wir an wesentlichen Stellen ansetzen. Es gibt im Zuge der allseits evidenten „Deutschen Silo-Haltung“ vier Säulen, die in sich wunderbar funktionieren, aber untereinander systematischer miteinander verzahnt werden müssen: Erstens müssen wir die kollaborative Entwicklung ganzer Industrien als Innovationscluster denken und fördern – welche Themen und Leitindustrien werden die weltweit tragfähigen Säulen einer nationalen Innovationsstrategie? Zweitens brauchen wir eine stabile Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Die Industrie muss Innovationen in diesen Feldern mit deutscher Spitzenforschung gemeinsam systematisch kommerzialisieren. Unabdingbar ist drittens ein ausgereiftes Finanzierungs-Ökosystem, das nicht nur bei frühen Basisinnovationen ansetzt, sondern vor allem in den späteren Wachstumsphasen unterstützend wirkt – unter anderem auch durch staatliche Anreize für und mit Einbindung privaten Kapitals. Und wie bei allen Transformationsprozessen kommt es viertens – und das ist der wichtigste Aspekt – auf die Innovationskultur an. Neben einer Zusammenarbeit zwischen etablierten Unternehmen und StartUps, müssen wir diese auf jeden einzelnen Menschen herunterbrechen: auf ihre Überzeugung, ihren Willen und ihre Begeisterung für das Neue – denn „Bildung beginnt mit Vorbildern“. 

Der Wohlstand Europas und das Rückgrat unserer Wirtschaft begründen sich hauptsächlich auf Unternehmen, die den Mittelstand von heute bilden. Die künftigen Mittelständer, das sind vor allem neu gegründete Technologieunternehmen mit einer Bewertung von mehr als 100 Millionen Euro und einem Bedarf von weiteren 50 bis 100 Millionen Euro, um ihr Geschäft zu skalieren. Derzeit fließt in nur 14 Prozent der jüngsten Finanzierungsrunden im Tech-Bereich europäisches Kapital – was gerade einmal 1,4 Prozent der Kapitalausstattung dieser Unternehmen entspricht. In den USA sind die Finanzierung und Wertschöpfung pro Kopf zehnmal höher.

Deutschlands Innovationskultur fehlt bisher schlicht und ergreifend der Mut und und verpasst damit vor allem die Chance eines einschlagenden, hochgradig profitablen und internationalen Erfolgs. Daher wird es umso wichtiger, neue Kollaborations- und Finanzierungsformen zu finden. So auch für Gründer Jonas Andrulis – 2023 mit mir auf dem Podium bei NEU DENKEN, wo wir noch davon ablenken mussten, dass wir bereits im Hintergrund über das Investment der SAP verhandelten – mit seinem Generative AI-StartUp Aleph Alpha. Als das Unternehmen 2023 seine Finanzierungsrunde über 500 Millionen Dollar verkündete – derzeit noch zu 95 Prozent finanziert mit Kapital aus Deutschland –, ließ vor allem die Wahl der Partner aufhorchen. Eingebettet in den Industriepark AI ((IPAI) am TUM-Forschungscampus in Heilbronn beteiligten sich neben namhaften VC-Investoren auch deutsche Industrieunternehmen wie die Schwarz Gruppe, Bosch und SAP sowie die private Schwarz Stiftung. Genau dieses leistungsstarke Konsortium entwickelt durch sein Zusammenspiel eine enorme Wirkkraft für ein AI-Ökosystem „Made in Germany“ und liefert en passant einen wichtigen Beitrag für den Strukturwandel in der Region. 

Ist dieser heterogene Mix an Geldgebern im Vergleich zur 13-Milliarden-Dollar-Runde von OpenAI immer noch zu gering? Ja, im Vergleich vielleicht schon! Aber es ist eine valide Chance, mit industrienahen AI-Anwendungen nach europäischen Standards auch hier einen globalen Maßstab zu setzen. Für den Innovationsstandort Deutschland ist es wichtiger denn je, Wetten dieser Art noch öfter einzugehen und Leuchtturm-Projekte etwa in den Bereichen Clean Energy und Nachhaltigkeit (wie Marvel Fusion) oder Spacetech (wie Isar Aerospace oder Mynaric) weltweit strahlen zu lassen. An beherzten Gründern, die mit Leidenschaft und Mut an den Technologien der Zukunft arbeiten, mangelt es hierzulande jedenfalls nicht – finden Sie nicht auch?


INHALTSVERZEICHNIS 

Container for the dynamic page

(Will be hidden in the published article)