GEOPOLITIK
Eine neue Ära der Polykrisen
Die Zeiten, in denen sich die internationale Politik bei der Lösung von Problemen auf einen einzelnen Konfliktherd konzentrieren konnte, sind vorbei. Was sich gerade verändert und was das für die Zukunft bedeutet.
Wenn plötzlich die Nägel fehlen
Die miteinander verwobenen Krisen der zunehmend globalisierten Welt führen auch dazu, dass es fast keinen Konflikt mehr auf der Welt gibt, der sich nicht binnen kurzer Zeit auf nahezu jedes Unternehmen auswirken kann. Russland greift das Nachbarland an, und plötzlich gibt es monatelang keine Euro-Paletten mehr, weil die Nägel dafür bis Februar 2022 in einer ukrainischen Fabrik produziert wurden. Durch bewaffnete Konflikte veränderte Flugrouten können völlig unvorhergesehene Auswirkungen haben. Straßen und Eisenbahnstrecken werden zerbombt. Häfen werden vermint. Huthi-Rebellen beschießen Schiffe und zwingen Frachter zu riesigen Umwegen.
Dabei müssen Konflikte nicht immer mit Waffengewalt ausgeführt werden. Handelskriege, Protektionismus und die Infragestellung des freien Handels irgendwo auf der Welt können in kurzer Zeit dramatische Auswirkungen an ganz anderen Orten haben. Wenn sich China entscheidet, keine Antibiotika mehr zu schicken, sterben in Europa Kinder. Die Herstellung von Computerchips hängt von Seltenen Erden aus Asien ab.
Internationale Krisen sind nicht nur etwas für interessierte Zuschauer der Tagesschau, sondern sie betreffen den Handel und damit den Alltag überall in Europa. Unternehmer müssen Geopolitik verstehen, um übersetzen zu können, wie sich ein Konflikt irgendwo auf der Welt auf die eigene Situation auswirkt. Und Geopolitik bedeutet auch, sich als internationales Unternehmen zu positionieren. Soll man Schokolade weiter nach Russland liefern?
Wettlauf im Weltraum
Der Begriff Geopolitik – von griechisch Geo = Erde – könnte bald schon zu kurz greifen. Denn die Bilder von archaisch ausgeführten Kriegen – Bomben auf Krankenhäuser – lassen leicht vergessen, dass der Wettkampf um die Frage, wer in Zukunft als Supermacht besteht, zunehmend an Orten stattfindet, über die keine Journalisten berichten: an arktischen Tiefsee-Datenkabeln, in der Umlaufbahn von Satelliten oder auf dem Mond. Der Krieg in der Ukraine wird auch entscheidend von der Frage geprägt, wer den besseren Zugang zu Satellitenkommunikation und Internetverbindung hat.
Wer als erster Solarenergie aus dem Weltall auf der Erde nutzbar machen kann, verschafft sich einen riesigen Vorsprung gegenüber allen Mitbewerbern. In Schwerelosigkeit lassen sich Materialien produzieren, die auf der Erde nicht herstellbar sind. Die Nachricht darüber, dass Russland möglicherweise Waffen ins Weltall geschickt haben könnte, sollte also nicht so sehr überraschen. Ist Europa hier vollends aus dem Rennen?
INHALTSVERZEICHNIS
{title}
Container for the dynamic page
(Will be hidden in the published article)