USA

Banger Blick gen Westen            

Die transatlantischen Beziehungen sind im Wandel. Dabei ist womöglich gar nicht so entscheidend, wer ab 2025 im Weißen Haus sitzt. Über die Wahl entscheiden die US-Bürger im Flyover-District zwischen den Küsten.

Transatlantische Blicke: David Knower (li.), Vizepräsident der US-Handelskammer in Deutschland, Politberaterin Dr. Pippa Malmgren         (2.v.li.) und Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg (re.) im Gespräch mit Sabine Christiansen. 

Wer wird die USA nach den Wahlen im Herbst regieren? Und welche Folgen sind für die europäische Wirtschaft einerseits und die transatlantischen Beziehungen andererseits zu erwarten? Diesen Fragen stellten sich Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Pippa Malmgren, ehemalige Beraterin von US-Präsident George W. Bush, der in Deutschland lebende US-Amerikaner David Knower, Leiter der Cerberus Deutschland Beteiligungsberatung GmbH, sowie der ehemalige deutsche Bundesminister und USA-Kenner Karl-Theodor zu Guttenberg.

In den Vorträgen und der Diskussion wurde deutlich, dass es sich bei der US-Wahl keinesfalls um ein Zweier-Duell zwischen Amtsinhaber Joe Biden und Herausforderer Donald Trump handelt. Dem unabhängigen und in den Umfragen stärker werdenden Kandidaten Robert F. Kennedy Jr. wurden durchaus Chancen eingeräumt (s. Interview re.). In der US-Geschichte habe es immer wieder Beispiele gegeben, bei denen Außenseiter das Rennen machten. 

Wer von Europa aus auf die USA schaue, sehe meist nur einen kleinen Ausschnitt des Landes – die Metropolen der Ost- und der Westküste. Der wirklich dynamische und wahlentscheidende Teil des Landes liege aber in der Mitte, im sogenannten Flyover-District, den viele US-Amerikaner so nennen, weil man eben nur darüber hinwegfliegt, um von der einen an die andere Küste zu kommen. Die Einwohner dieser Staaten unterstützen nach Einschätzung der Referenten aber zur Zeit vor allem Trump. 

Bürger verglichen die wirtschaftliche Lage oder den Benzinpreis während der Präsidentschaften unter Trump und Biden miteinander und sähen die Vorteile klar bei Trump. Von ihm verspricht man sich, dass er die nationalen Themen anpackt und löst. Außenpolitisch wünschen sich US-Amerikaner überwiegend eine schnelle Beendigung des Kriegs in der Ukraine. Das versprechen sie sich eher von Trump oder Kennedy. Es sei zudem durchaus vorstellbar, dass es Putin nicht gewagt hätte, in die Ukraine einzumarschieren, wenn ein unberechenbarer Präsident Trump in Washington regiert hätte. Biden hingegen gelte als schwach, der Abzug aus Afghanistan wurde als Desaster wahrgenommen.

Selbst wenn Trump in Europa häufig als Schreckgespenst gelte, mache es für die transatlantischen Beziehungen wohl wenig Unterschied, welcher Kandidat schließlich ins Weiße Haus einzieht. Erstens blieben die Beziehungen auch im Falle eines Siegs von Trump bedeutend. Die Nato ist so mächtig wie nie, professionelle Berater hielten Trump von radikalen Schritten wie einem Nato-Austritt ab.  Zweitens verlagere sich das Hauptinteresse der USA unabhängig vom Wahlausgang zunehmend in Richtung Asien, während auch in Europa kein so klares Bekenntnis zur transatlantischen Achse mehr erkennbar sei, wie an den Verhandlungen zum Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) deutlich wurde. 

Um die Achse Europa-USA zu stärken, müsste Europa unabhängig vom Wahlausgang etwa die Verteidigungsausgaben erhöhen. Denn Washington werde die Zusammenarbeit mit den europäischen Staaten verstärken, die militärisches Gewicht haben, so etwa Polen.

„Trump oder Kennedy!“            

Die Nähe zum Weißen Haus ist bei Dr. Pippa Malmgren Familientradition. Sie beriet George W. Bush, ihr Vater bereits die US-Präsidenten der 1960er und 70er Jahre. Ihre Prognose für die Wahlen im Herbst ist überraschend.

Die Millionen-Dollar-Frage: Wer wird US-Präsident?

Da habe ich eine eher außergewöhnliche Sichtweise. 2015 hatte ich getippt, dass Donald Trump gewinnen würde. Die Leute hielten das zu dem Zeitpunkt für verrückt. Aber er hat gewonnen. Wenn ich jetzt dieselbe Art von Analyse betreibe, und es geht nicht um meine persönliche Präferenz, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass entweder Trump oder Kennedy gewinnt.

Was ist mit Joe Biden?

Ich glaube, dass die Demokraten gerade festgestellt haben, dass Biden keine Chance hat und dass sie gerade einen alternativen Kandidaten suchen. Das ist natürlich recht spät.

Als zweiten Favoriten nennen Sie Robert F. Kennedy Jr., den man hier allenfalls als Impfskeptiker kennt.

Es ist der dritte Kandidat im Rennen. Und sowohl die Linken als auch die Rechten hassen ihn. Und die Medien hassen ihn, weil er die Werbung der Pharmaindustrie im Fernsehen verbieten will. Die großen Medien haben ihn erst zu ignorieren versucht. Jetzt, wo das nicht mehr geht, stellen sie ihn als verrückten Impfskeptiker ab. Aber seine Haltung ist viel differenzierter.

Die Medien hassen ihn und trotzdem hat er eine Chance?

Weil die Wahl nicht über das Fernsehen entschieden wird. Die wahlentscheidenden Plattformen sind im ständigen Wandel. Lange war es das Radio, dann das Fernsehen, für Obama war Youtube entscheidend, bei Trump war es Twitter. Die neue Technologie heißt Podcast, wo man viel Zeit hat und bei Inhalten ins Detail gehen kann. Da kann Kennedy punkten, weil er sich 30 Jahre lang mit Umwelt- und Gesundheitsfragen beschäftigt und Klagen gegen die Großkonzerne geführt hat. Das macht ihn glaubwürdig. Er ist vor allem in Podcasts und auf Instagram stark.

Für Europäer ist die US-Politik manchmal schwer nachvollziehbar. Umgekehrt verhält es sich wahrscheinlich genauso. Wie erklären Sie Europa?

Für die meisten Amerikaner bleibt die Vorstellung, dass es überhaupt andere Länder gibt, ein unbestätigtes Gerücht. Die Frage ist eher, wen interessiert Europa? Spezialisten der Sicherheitspolitik interessieren sich für internationale Verbündete. Meist hält man aber Europa auf dem Schlachtfeld nicht für besonders hilfreich, weil die Europäer selten genug Geld für Militär ausgeben und ihre Ausrüstung nicht miteinander kompatibel ist. US-Amerikaner, die internationalen Handel treiben, interessieren sich zum Beispiel für die Europäische Datenschutz-Grundverordnung, weil diese sie betrifft. Das Interesse an Europa ist meist auf ganz praktische Aspekte beschränkt.


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