Wegzugsbedingte Versteuerung von stillen Reserven in Kapitalgesellschaftsanteilen nach § 6 AStG

- Drei Fälle der Veräußerungsfiktion

Beispiel 6

Niederländer N hält eine 25-%-Beteiligung an einer deutschen Kapitalgesellschaft. Historische Anschaffungskosten betrugen 100. Im Jahr 1994 zieht er nach Deutschland (gemeiner Wert im Zuzugszeitpunkt: 200). Im Jahr 2005 (Alternativ: 2018) zieht er wieder in die Niederlande (gemeiner Wert im Wegzugszeitpunkt: 300). Frage: Wie hoch ist der nach § 6 AStG zu versteuernde Gewinn?

Beispiel 6a 

BFH v. 26.04.2017, 1 K 495/13, IStR 2017, 1167
Der Kläger war bis zum 30.6.2009 sowohl in Deutschland als auch in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig und unterhielt in beiden Staaten eine ständige Wohnstätte. Bis zu diesem Zeitpunkt lag der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland. Zum 1.7.2009 gab der Kläger seine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland bzw. seine ständige Wohnstätte auf (steuerlicher Wegzug). Zum Zeitpunkt des steuerlichen Wegzugs verfügte der Kläger über fünf Beteiligungen iSv § 17 Abs. 1 S. 1 EStG. Für zwei der Beteiligungen wurde im Wegzugszeitpunkt ein Vermögenszuwachs festgesetzt. Die übrigen Beteiligungen verzeichneten zu diesem Zeitpunkt eine Wertminderung.

Beispiel 6b

Wegzügler A hält die Geschäftsanteile Nr. 1 und Nr. 2 an einer GmbH. Der gemeine Wert beider Anteile beträgt zusammen 300.000 EUR. Den Geschäftsanteil Nr. 1 erwarb A bei Gründung für Anschaffungskosten in Höhe von 25.000 EUR. Den Geschäftsanteil Nr. 2 im Rahmen einer späteren Kapitalerhöhung für Anschaffungskosten in Höhe von 500.000 EUR, wovon 25.000 EUR auf das Stammkapital und 475.000 EUR auf das seinerzetige Agio entfallen.

Jeder Geschäftsanteil begründet für sich eine Beteiligung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG, die einzeln oder zusammen veräußert werden können. Unterstellt, der gemeine Wert beider Geschäftsanteile würde im Zeitpunkt des Wegzugs zusammen 300.000 EUR betragen, wäre damit zu rechnen, dass nach Auffassung des I. Senats für den Geschäftsanteil Nr. 1 ein Veräußerungsgewinn in Höhe von 125.000 EUR (gemeiner Wert Anteil Nr. 1 = 150.000 EUR ./. AK 25.000 EUR) und für Geschäftsanteil Nr. 2 ein nicht zu berücksichtigender Verlust in Höhe von 200.000 EUR (300.000 EUR ./. 500.000 EUR) ermittelt würde. Richtigerweise liegt im Beispiel 6b ein Vermögensverlust von -200.000 EUR vor, der keine Wegzugsbesteuerung auslöst.