INNOVATION & WETTBEWERB

Alles eine Frage des Mindsets

Es gibt attraktivere Standorte für Startups als Deutschland. Dabei ist Innovation essenziell, wenn die Bundesrepublik wirtschaftlich in der Welt bestehen will. Damit es besser klappt, muss sich vor allem eine Sache ändern, wie Gründer, Unternehmer und Politiker beim Wirtschaftsforum analysierten 

Dr. Juma Al Matrooshi - Director General Dubai Silicon Oasis

Unzufrieden mit den Rahmenbedingungen für das Startup in Deutschland? "Make it in the Emirates", lautete die Antwort von Dr. Juma Al Matrooshi, Deputy CEO und Director General von Dubai Silicon Oasis, der ebenfalls beim Wirtschaftsforum NEU DENKEN zu Gast war. Und zur Illustrierung der Gastfreundschaft präsentierte er auch gleich ein modifiziertes "Made in Germany"-Logo, auf dem zu lesen war: "Made with Germany". 

Also Startup gründen und dann nichts wie weg aus Deutschland? Oder kann die Bundesrepublik weiterhin wirtschaftlich in der Welt bestehen und bei Forschung, Bildung sowie Innovationen mithalten? Wie steht es generell um die Wettbewerbssituation in Europa? Antworten auf diese Fragen gaben Fridtjof Detzner von Planet A, green investment, Prof. Dr. Helmut Schönenberger, CEO UnternehmerTUM, Deepa Gautam-Nigge, Sr. Director Corporate Development - M&A and Strategic Investments sowie Jonas Andrulis, Gründer und CEO Aleph Alpha GmbH. Moderatorin Sabine Christiansen interviewte zu dem Thema zudem per Online-Schalte Bettina Stark-Watzinger, die Bundesministerin für Forschung und Bildung, sowie Steffen Kampeter, den Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände (BDA). Den Reformbedarf in Europa analysierte Karoline Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung in Österreich.

Von links: Deepa Gautam-Nigge - Sr. Director Corporate Development – M&A and Strategic Investments, Fridtjof Detzner - Planet A, green Investment, Jonas Andrulis - Gründer und CEO Aleph Alpha GmbH
 und Helmut Schönenberger - Geschäftsführer, Chief Executive Officer TUM GmbH

Von links: Deepa Gautam-Nigge - Sr. Director Corporate Development – M&A and Strategic Investments
 und Helmut Schönenberger - Geschäftsführer, Chief Executive Officer TUM GmbH


Und auch in der Abschlussdiskussion ging es um die internationale Wettbewerbslage, in der Runde vertreten waren Jochen Knecht, CEO Chairman International Free Zone Authority, Miriam Wohlfarth, Gründerin Fintechs Ratepay, Banxware sowie die Veranstalter Willi Plattes, CEO PlattesGroup, Dr. Karsten Randt und Prof. Dr. Jens Schönfeld, beide Partner Flick Gocke Schaumburg. 

Rund 15.000 Deutsche zählt Dubai derzeit, und das Emirat hofft auf weitere Zuzügler aus der Bundesrepublik. Drei Mal sei er bereits nach Dubai gezogen, berichtete Unternehmer Jochen Knecht, vertreten seien vor allem viele Jungunternehmer in den Bereichen Software und E-Commerce. In anderen Bereichen lässt sich der Standort nicht so einfach verlagern, dann, wenn es darum gehe, vor Ort bei den Kunden zu sein. 

Es gibt viele Stellschrauben, an denen in Deutschland gedreht werden muss, damit sich Startups entfalten können, das wurde in den Debatten und Vorträgen deutlich.

Von links: Fridtjof Detzner - Planet A, green Investment und Jonas Andrulis - Gründer und CEO Aleph Alpha GmbH


"Das Portfolio kalibrieren"

Da wäre zum einen die unzureichende Finanzierung, in deren Folge viele Jungunternehmer aufgeben müssen. Während sich derzeit für Projekte in den Bereichen Nachhaltigkeit oder Künstliche Intelligenz noch vergleichsweise leicht das nötige Geld finden lasse, hätten es andere Bereiche wie etwa Finanzthemen gerade sehr schwierig. Wichtig sei zudem, dass nicht nur ausreichend Geld für den Start bereitstehe, sondern gerade auch für die späteren Phasen eines Startups, dann, wenn es um die nötige Skalierung des Unternehmens gehe, also darum, es im Markt zu positionieren und profitabel zu machen. Wir müssten lernen, mit längeren Zeithorizonten zu investieren.

Wie das gelingt, dafür gilt in Deutschland die UnternehmerTUM als Vorbild, Europas größtes Start-up-Zentrum in München. Seit der Ausgabe von NEU DENKEN im Jahr 2022 seien wieder rund 2 Milliarden Euro in Projekte investiert worden. Gäbe es mehr solcher Standorte in Deutschland, dann ließe sich auch die Lücke zwischen den USA und Deutschland schließen, die derzeit hinsichtlich der Finanzierung bei der Ausgründung sowie beim Transfer und der Ökonomisierung des Wissens bestehe. 

Natürlich sei es schwer abzusehen, wie viel Erfolg ein Startup haben werde. Aber das liege in seiner Natur, und wer keine Risiken eingehe, verpasse die Zukunft, wie man in den vergangenen Jahren in Deutschland beobachten habe können. Andererseits ließen sich diese Risiken aber auch minimieren, wenn sich fehlgeschlagene Investitionen steuerlich besser absetzen ließen als bislang, so wie das andernorts der Fall sei. 

Außerdem brauche es eine stärkere Förderung, beispielsweise indem der Staat auch selbst Kunde wird und so dem Startup "eine Rampe baut", darüber hinaus eine enge, systematische Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Investoren und Politik. Man müsse bestehende "Silos" aufbrechen und die Startups mit der Wirtschaft vernetzen. Einerseits verändern junge Unternehmen den Markt mit neuen Produkten und Ideen, andererseits können sie von den Vertriebskanälen bestehender Konzerne profitieren, die ihrerseits darauf angewiesen sind, mit den immer schnelleren Innovationszyklen Schritt zu halten. 

Bislang sind es vor allem internationale Gelder, die Unternehmensgründern in Deutschland ihre Projekte ermöglichen. Dass das nötige Geld aber auch in der Bundesrepublik vorhanden ist, daran bestünden keine Zweifel. Das verdeutlichte auch eine Anekdote über die gewaltigen internationalen Investitionen in Immobilien auf Mallorca im vergangenen Jahr. Gelänge es, "das Portfolio zu kalibrieren", wäre auch das ein Fortschritt für mehr Innovation in Deutschland. 

Von links: Sabine Christiansen - TV21, Prof. Dr. Jens Schönfeld Partner FGS, Dr. Karsten Randt Partner FGS , Willi Plattes CEO PlattesGroup, Jochen Knecht - CEO International Free Zone Authority®, Miriam Wohlfarth - Gründerin Fintechs Ratepay, Banxware und DDr. Babette Prechtl-Aigner - Partnerin LeitnerLaw

"Mehr Bock auf Arbeit"

Das Geld mag zwar nicht ausreichend abrufbar sein, aber die nötigen Talente gibt es nach Einschätzung der Experten zahlreich. Nun gehe es darum, den Menschen in allen Phasen des Lebens die nötige Orientierung, Motivation, Bildung sowie auch die notwendigen Rahmenbedingungen zur Entfaltung zu geben. 

Die Mängel zeigten sich schon in der Schulausbildung. Wenn jedes vierte Kind nach der Grundschule nicht dem Unterricht folgen könne, sei dies eine gefährliche Bildungsmisere. Die Vorbereitung auf die Berufswahl sei bislang "bescheiden", es herrsche vielerorts die falsche Einschätzung vor, dass eine akademische einer beruflichen Ausbildung überlegen sei. Die Förderung unternehmerischen Denkens und digitaler Kompetenzen nähmen an den Schulen zu wenig Raum ein. Im späteren Berufsleben komme vielerorts die Aus- und Weiterbildung zu kurz. Gefragt seien Upskilling und Reskilling - sowie allgemeine Anerkennung für die Mitarbeiter, die im Alter von 40 oder 50 Jahren nochmal dazulernen wollen. Aber auch eine gesellschaftliche Debatte für die Implementierung einer echten Weiterbildungsgesellschaft müsse angestoßen werden. 

Im Arbeitsleben vermissen die Referenten darüber hinaus eine stärkere Beteiligung der Mitarbeiter an den erzielten Gewinnen - verwiesen wurde etwa auf das Erfolgsmodell der Millionäre in Silicon Valley. Dies fördere nicht nur die Motivation, sondern binde die guten Leute auch an die Unternehmen. 

Die eigentliche arbeitsmarktpolitische Herausforderung sei jedoch nicht die Motivierung der aktiven Mitarbeiter, sondern die Aktivierung von Arbeitskräften. Gerade bei höheren Einkommen gebe es enorme Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Die Arbeitszeitgesetze seien zu starr, politische Instrumente wie Bürgergeld oder steigende steuerliche Belastungen durch Kranken- und Pflegeversicherung trügen nicht zu "mehr Bock auf Arbeit" bei. Deutschland arbeite immer weniger, könne aber gleichzeitig nicht darauf vertrauen, dass sich die Lücke durch Zuwanderer schließen lasse. 

Trotz aller politischen Versäumnisse wurde aber auch auf die von der Bundesregierung beschlossene Start-up-Strategie verwiesen, die in einem umfangreichen Beteiligungsprozess entstand und nun Start-up-Ökosysteme in Deutschland sowie ganz Europa stärken soll. Somit liege nun endlich ein konkreter Fahrplan vor, der abgearbeitet und durch ein Monitoring begleitet werden soll.



Es ist höchste Zeit, den Frust in positive Energie umzuwandeln und Druck auf die Politik machen.


"Weltmeister der Regulierung"

Karoline Edtstadler - Bundesministerin für EU und Verfassung in Österreich

Immer wieder als Hemmschuh genannt wurde in den Redebeiträgen und Debatten aber auch eine bürokratische Überregulierung in Europa, weswegen sich oftmals Spitzentechnologie nicht umsetzen lasse und man Investitionen in langfristige Projekte verpasse. Man sei das "Silicon Valley der Regulierung", womit sich freilich keine Wettbewerbsvorteile erzielen ließen. Als Beispiele genannt wurden etwa klinische Studien, die oftmals im Ausland stattfinden. Auch Tierversuche für neue Medikamente seien ein Bereich, der nicht tabuisiert werden dürfe, wenn man nicht den Anschluss verlieren wolle. 

Die Überregulierung gelte gerade auch für die Steuergesetzgebung in Europa, die grenzüberschreitendes unternehmerisches Handeln enorm erschwere. Fortschritte wie die spanische Ley Beckham, die steuerliche Erleichterungen für Startup-Unternehmen vorsieht und Zuzügler für einen befristeten Zeitraum einer eingeschränkten Einkommen- und Vermögensbesteuerung unterwirft, seien da nur Flickschusterei, die die eigentlichen Probleme nicht lösten. 

Die Abschlussdiskussion zum Thema "Europa im Wettbewerb" kreiste denn immer stärker um den Begriff des Mindset, also um die Frage, wie eine positive Grundstimmung für mehr Innovation und Unternehmergeist geschaffen werden kann. Für ein solches Mindset seien Mut und eine unternehmerische Herangehensweise nötig, die Definition eines Ziels und einer Vision, die vorgelebt wird und den Menschen Orientierung gibt - der Gegenentwurf zum derzeitigen "Wohlfühlstaat", der viel zu wenig Anreize biete, Risiken auf sich zu nehmen. 

Statt über Risiken müsse man zuerst über Chancen sprechen - die KI beispielsweise lässt die Kosten von Intelligenz und Wissen gewaltig sinken, die Nachhaltigkeitswende bietet enormes Potenzial für grüne Projekte mit wissenschaftlicher wie marktwirtschaftlicher Evidenz, die sich vom verbreiteten "Greenwashing" abgrenzen. Statt zu lamentieren und sich schlecht zu machen, gelte es, Dinge einfach in Angriff zu nehmen, so wie das anderswo in der Welt geschehe. Beispiele fanden sich im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels, auch vor dem Hintergrund, dass man nicht nur CO2-Emissionen senken, sondern sich auch auf die Veränderungen einstellen müsse. Da werden in Dubai Wälder angelegt, in denen dann Drohnen für künstlichen Regen sorgen sollen, da werden auf den Malediven, wo der Meeresspiegel zu steigen droht, schwimmende Städte gebaut - alles eine Frage des Mindset. 

Deutschland habe sich auch nach den schwersten Krisen immer wieder neu aufgestellt, hielten die Referenten dem immer wieder durchscheinenden Pessimismus entgegen. Es sei höchste Zeit, den Frust in positive Energie umzuwandeln und Druck auf die Politik machen. Es gehe darum, nicht nur neu zu denken und neu zu handeln, sondern jetzt zu handeln.



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