FINANZMÄRKTE
Unter dem Druck der Zeitenwende
Corona, Ukraine-Krieg, Inflation, Bankenkrise - die Weltwirtschaft durchlebt turbulente Zeiten. Höchste Zeit für eine Analyse, wie sie unter anderem Nobelpreisträger Prof. Dr. Joseph Stiglitz und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück beim Wirtschaftsforum NEU DENKEN vornahmen
Die unterschätzte Inflation
Auch die Inflation hat ihren Ursprung in der Corona-Krise. Als Inflationstreiber erwies sich inbesondere der Umstand, dass die restriktive Covid-Politik in China Anfang 2022 und der Stillstand einer riesigen Zahl von Container-Schiffen die Lieferketten durcheinander warfen. Die Folge war eine Verknappung des Angebots. Der Ukraine-Krieg kam dann "im ungünstigsten Moment" als Inflationstreiber hinzu. Gleichzeitig hatten viele Menschen während der Pandemie Geld gespart und gaben es mit einem Schlag wieder aus, erhöhten so die Nachfrage zu einem Zeitpunkt, als Produzenten und Lieferanten dieser nicht hinterher kamen - die Pandemie als "Defibrillator", der die Wirtschaftsaktivität neu gestartet und Überersparnisse freigegeben habe. Auf dem europäischen Energiemarkt erhöhten sich zusätzlich die Preise infolge einer schlechten Regulierung, konkret der Kopplung des Systems an den Gasmarkt - ein Konzept, das nicht für einen Kriegsfall gedacht war und so für zusätzliche Verwerfungen sorgte.
Die Notenbanken spielten bei dieser Entwicklung nach Einschätzung der Referenten eine unglückliche Rolle, insbesondere die Europäische Zentralbank. Als die Inflation anstieg, sei man zunächst davon ausgegangen, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handle und die Marke schnell auf zwei Prozent zurückgehen würde. Die Inflationsentwicklung sei unterschätzt, die "Liquiditätspumpe" zu lange bedient worden. Mittelfristig sei unter anderem aufgrund höherer Kosten bei den Lieferketten und bei der Dekarbonisierung mit einer weiteren Preissteigerung zu rechnen. Die Europäische Zentralbank dürfte den Weg hoher Leitzinsen deswegen vorerst weitergehen.
Auf Deutschland wirkt sich die Zeitenwende besonders heftig aus, was vor allem mit der großen Bedeutung der Industrie und des Exports zu erklären sei.
Ungute Erinnerung an die Bankenkrise
Zu Beginn des Jahres 2023 weckte die Krise von drei Banken in den USA ungute Erinnerungen an die Kreditkrise von 2008. Im März mussten innerhalb von fünf Tagen drei kleine bis mittelgroße US-Institute aufgrund von Zahlungsunfähigkeit schließen. Dies löste einen starken Rückgang der Aktienkurse von Banken weltweit aus, Die Schweizer Credit Suisse mit ihren ganz eigenen Problemen wurde durch eine Fusion mit der Großbank UBS gerettet.
Die Referenten des Wirtschaftsforums verwiesen auf Mängel bei der Aufsicht der Banken in den USA in den konkreten Fällen, unterstrichen jedoch, dass es sich um keine systemische Finanzkrise handelte, dass man vielmehr die Lektion von 2008 gelernt habe - in Form unter anderem einer Verstärkung der Bankenaufsicht, des einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus und in Zukunft durch eine Vertiefung der EU-weiten Kapitalmarktunion. Die Probleme der betroffenen Banken in den USA und der Schweiz seien in keiner Weise auf deutsche Kreditinstitute übertragbar, im Gegenteil - bei vielen mache man gerade im Zuge der Zinswende gute Geschäfte.
Die Referenten analysierten außerdem die aktuelle Lage an den Kapitalmärkten und wagten einen Ausblick. So seien die Aktienmärkte in diesem Jahr recht robust geblieben. Verwiesen wurde darauf, dass die USA nicht direkt in die Rezession gerutscht seien, in Europa ein Mangel an Gas im Winterhalbjahr habe vermieden werden können und Europa stärker als erwartet von der erneuten Öffnung Chinas profitiere. Die bisherige Entwicklung dieses Jahres werde sich aber nicht einfach so fortschreiben lassen. Beim kurzfristigen Ausblick sei eher Skepsis geboten, mittelfristig seien Investoren mit realen Assets gut beraten.
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